Amtsgericht Stralsund, Bielkenhagen, Grundinstandsetzung und Erweiterung
12.03.2023 • Allgemeiner Landesbau
Nach über vier Jahren Bauzeit wurde im Juli 2008 das Stralsunder Amtsgericht durch die Justizministerin Uta Maria Kuder feierlich eingeweiht und offiziell an den Nutzer übergeben. Umzüge in vorübergehende Unterbringungen in anderen Objekten waren erforderlich, Provisorien und Einschränkungen für die Mitarbeitenden gab es zu überstehen. Für das Bauprojekt sowie die Unterbringung der Dienststelle ist das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt (SBL) Greifswald verantwortlich.
Historie - Standort - Baukonstruktion
Der unter Denkmalschutz stehende Gerichtsstandort Amtsgericht Stralsund befindet sich in der Stralsunder Altstadt in unmittelbarer Nähe der historischen Stadtmauer. Zum Areal gehörten ursprünglich neben dem Gerichtsgebäude und dem Hafthaus auch angrenzende zusätzliche Haftzellen parallel zur Stadtmauer, ein Stallgebäude sowie ein großer Garten.
Erbaut wurde das Amtsgebäude im Neorenaissancestil um 1869, vermutlich zeitgleich mit dem benachbarten Gefängnisbau. Es handelt sich um einen backsteinsichtigen Bau mit Rundbogenfenstern und einem von Säulen getragenen Portikus im Bereich des Haupteinganges zur Straße "Am Bielkenhagen". Im Inneren hervorzuheben waren bzw. sind weitere typische Stil-Elemente, wie z. B. schwarz-weiße Mosaikfliesen, mit Blumenmotiven gekrönte Säulen, marmorierte Wandmalereinen sowie Stuck.
Entwurfskonzept
Nachdem das alte Hafthaus lange Zeit leer stand und nur Teile des Amtsgerichtes weiterhin im historischen Haupthaus untergebracht waren, sollten mit der anstehenden Baumaßnahme nun endlich die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden, sämtliche Abteilungen und Mitarbeitenden des Amtsgerichtes, die bisher auf Neben- und Zweigstellen aufgeteilt waren, in einem einheitlichen Ensemble an einem Standort unterzubringen.
In der seit 2004 laufenden Baumaßnahme erfolgte die Instandsetzung, Modernisierung und Erweiterung des vorhandenen Gebäudebestandes. Dieser gliederte sich vor Beginn der Baumaßnahme in das Amtsgebäude, das Hafthaus und einem eingeschossigen Zwischenbau.
Mit der Entwurfsanordnung wurde nach dem Abbruch des Zwischenbaus ein Erweiterungsbau zwischen dem Amtsgerichtsgebäude und dem Hafthaus vorgesehen. Dieser erstreckt sich in ost-westlicher Ausrichtung parallel zum Amtsgebäude und stellt die neue Verbindung zwischen beiden historischen Gebäuden her.
Der Neubau mit Galeriecharakter beherbergt Büros, Bibliothek und Verhandlungssäle. Auch der neue Haupteingang befindet sich im Verbindungsbau, sowie ein Aufzug, mit dem alle, zum Teil auf unterschiedlichem Niveau befindlichen Ebenen der drei Gebäude barrierefrei zu erreichen sind. Im Gegensatz zu der vorhandenen backsteinsichtigen Struktur der beiden historischen Gerichtsgebäude wurde der Erweiterungsbau als moderner gläserner Putzbau ausgeführt.
Mit der Grundsanierung der alten Bausubstanz wurden gleichzeitig auch die funktionellen, räumlichen und technischen Anforderungen, die an ein modernes Amtsgericht gestellt werden, berücksichtigt und dem Bedarf sowie dem Stand der Technik angepasst. Ein neu eingebauter Lastenaufzug vom Archiv im Kellergeschoss übernimmt nun den Transport der Gerichtsakten und erleichtert so die Arbeit der Beschäftigten. Die besonderen Herausforderungen, die in der Berücksichtigung des Denkmalschutzes einerseits und in der Einhaltung aller sicherheitstechnischen Anforderungen andererseits bestanden, wurden hervorragend gemeistert.
Nach Abschluss der Bauarbeiten konnten vorübergehende Unterbringungen aufgelöst werden, u. a. die Zweigstelle Am Frankendamm. Alle Abteilungen einschließlich Grundbuchamt sind seitdem am Gerichtsstandort Bielkenhagen wieder vereint. Kürzere Wege und effektive Abläufe in einem attraktiven Umfeld sind seitdem für Mitarbeitende und Besuchende gleichermaßen spürbar und erlebbar.
Denkmalschutz
Vor Beginn der Bauarbeiten erfolgten im Hofbereich Grabungen durch die Archäologen des Landesamtes für Bodendenkmalpflege. Diese stießen dabei u. a. auf eine mittelalterliche Hofanlage und eine spätmittelalterliche Luftheizung aus klosterformatigen Klinkern und Felssteinen.
Im Zuge der Grundinstandsetzung wurden entsprechend der denkmalpflegerischen Zielstellung die äußere Form und die Gestaltung der historischen Bestandsgebäude beibehalten. Die Bewahrung der kleinen Zellenstruktur für untergeordnete Raumnutzungen, der Gefängnisgitter bis hin zur Haftmauer, die in ihrer Höhe reduziert wurde, zeugen auch zukünftig von ihrer ursprünglichen Nutzung. Im Innenbereich erfolgten restauratorische Untersuchungen. Die originalen Oberflächenstrukturen fanden bei der farbigen Gestaltung in den Fluren des Erd- und Obergeschosses und im Treppenhaus Beachtung und betonen eindrucksvoll die besondere repräsentative Bedeutung dieser Bereiche.
Liebevoll restaurierte Details des 1869 im Stil der Neorenaissance erbauten Amtsgebäudes, wie aufwendig verzierte Treppengeländer, mit Blumenmotiven gekrönte Säulen, Stuck und Wandmalereien erstrahlen in alter, neuer Schönheit.
Sowohl äußerlich mit der traditionellen Klinkerfassade und den neuen Rundbogenfenstern nach altem Vorbild, als auch im Innern erstrahlen die historischen Gebäude nun in neuem Glanz.
Die Bauabschnitte
Die Realisierung der Baumaßnahme wurde in zwei Bauabschnitten vorgenommen. Der erste Bauabschnitt – der Erweiterungsbau und die Sanierung des ehemaligen Hafthauses – erfolgte nach Abschluss der Ausgrabungen, von 2004 bis 2006. Der zweite Bauabschnitt mit der Sanierung des historischen Amtsgerichtsgebäudes begann im September 2006 und wurde im März 2008 an das Amtsgereicht zur Nutzung übergeben.
Kunst am Bau
"EMOTIONEN" – so lautet der Titel des durch die Rostockerin Heidrun Walter realisierten Kunstwerkes – einer Lichtinstallation, die den neuen Eingangsbereich aufwertet und akzentuiert und so die Besucher zum Eingang und in das Gebäude hinführt. Das Kunstwerk war im Zuge eines durch Geschäftsbereich Greifswald des Betriebs für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern (BBL M-V) ausgelobten anonymen Wettbewerbs als Siegerentwurf hervorgegangen. Fünf renommierte Kunstschaffenden reichten Vorschläge ein.
Würdigung für hervorragende Planung und Realisierung
Unter Federführung des BBL M-V Geschäftsbereich Greifswald und der verantwortlichen Planer und Bauleiter des beauftragten Architekturbüros entstand eines der schönsten Amtsgerichtsgebäude im Land wieder neu.
Vom Gestaltungsbeirat der Hansestadt Stralsund wurde dafür dem Greifswalder Architekturbüro Frank-Milenz-Rabenseifner höchste Anerkennung für seinen Entwurf gezollt.
Eine weitere Ehrung erfolgte 2006 durch die Verleihung des Koggensiegels durch das Bürgerkommitee "Rettet die Altstadt e.V". Mit diesem Koggensiegel werden vorbildliche Sanierungen und Erweiterungen an denkmalgeschützten Gebäuden in der Hansestadt Stralsund gewürdigt.
Die wichtigsten Eckdaten Amtsgericht Stralsund
Baubeginn | 01/2004 |
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Fertigstellung | 03/2008 |
davon 1. Bauabschnitt - Neubau Erweiterungsbau und Grundinstandsetzung ehemaliges Hafthaus | 01/2004 - 07/2006 |
davon 2. Bauabschnitt - Grundinstandsetzung des historischen Amtsgebäudes | 09/2006 - 03/2008 |
Technische Übergabe an den Nutzer | 26.03.2008 |
Feierliche Einweihung | 24.07.2008 |
Planungsdaten Amtsgericht Stralsund
Bauherr | Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den BBL M-V Geschäftsbereich Greifswald |
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Gesamtkosten 1. und 2. Bauabschnitt | 7,7 Millionen Euro |
davon Baukosten | 6,5 Millionen Euro |
im 1. Bauabschnitt | 3,8 Millionen Euro |
im 2. Bauabschnitt | 2,7 Millionen Euro |
davon Honorare | 1,2 Millionen Euro |
im 1. Bauabschnitt | 0,7 Millionen Euro |
im 2. Bauabschnitt | 0,5 Millionen Euro |
Kosten für Kunst am Bau Honorar | 30.000 Euro (einschließlich Wettbewerbskosten) |
Hauptnutzfläche | ca. 2.709 m² |
umbauter Raum | ca. 24.823 m³ |
beauftragte Architekten | Frank-Milenz-Rabenseifner, Greifswald |
Planung der Freianlagen | Osigus + Meimersdorf, Stralsund |
Kunst am Bau - Lichtinstallation | Heidrun Walter, Rostock |
Planungsleistungen | zu 100 Prozent Büros aus Mecklenburg-Vorpommern |
Bauleistungen | überwiegend von Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern |
Lageplan Amtsgericht Stralsund
18439 Stralsund, Bielkenhagen 9